Die akute Wohnungsnot und die stark steigenden Mieten sind nach wie vor große zusammenhängende Themen in der Bundeshauptstadt.
Nach dem Scheitern des Berliner Mietendeckels vor dem Bundesverfassungsgericht entlud sich die aufgeheizte Stimmung unter den Bürgern zuletzt in einem Volksentscheid,
bei dem sich die Mehrheit für eine Enteignung privater Immobiliengesellschaften mit mehr als 3.000 Wohnungen aussprach.
Vor diesem Hintergrund steht die geplante Regierungskoalition aus SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen unter enormem Handlungsdruck.
Angesichts der berechtigten Kritik an den Enteignungsplänen (u. a. milliardenteure Entschädigung der Konzerne ohne Schaffung neuen Wohnraums;
erheblicher Eingriff in die privaten Eigentumsrechte) ist nun eine neue Möglichkeit zur Lösung des Wohnungsproblems ins Gespräch gekommen.
Die Rede ist von einer Mietensteuer, ein Regulierungsinstrumentarium, das keineswegs eine Neuschöpfung ist,
sondern aus den 1920er-Jahren stammt und seinerzeit Hauszinssteuer hieß.
Ein Blick in die Vergangenheit offenbart die damaligen Beweggründe zur Einführung der benannten Steuer.
Der während des Ersten Weltkriegs verhängte Baustopp an nicht kriegsrelevanten Bauten führte in den ersten Jahren nach Kriegsende zu einem drastischen Wohnungsmangel.
Auf den viel zu kleinen Bestand traf eine wachsende Bevölkerung durch Zuzug.
Städte wie Berlin strahlten durch den Wirtschaftsaufschwung und die damit einhergehenden Chancen eine starke Anziehungskraft aus.
Infolgedessen entstanden missliche Wohnverhältnisse, vor allem unter den einfachen Leuten durch Überbelegung.
Die Hyperinflation 1923 verschlimmerte die Situation, machte sie den ohnehin schon knappen Wohnraum letztlich unbezahlbar.
Da die private Bautätigkeit den massiven Wohnungsbedarf nicht decken konnte,
wurde der prekären Lage schließlich mit großen gemeinnützigen Wohnungsbauprogrammen eine wirksame Maßnahme entgegengesetzt.
Vielerorts in Berlin wurden Wohnsiedlungen mit sehr guten Wohnbedingungen bei hoher Wohndichte aus dem Boden gestampft,
viele davon im innovativen Stil der Architektur- und Städtebaubewegung „Neues Bauen“,
wie z. B. die Hufeisensiedlung (Britz - Titelbild), Onkel Toms Hütte (Zehlendorf) oder die Weiße Stadt (Reinickendorf).
Die Finanzierung dieser öffentlich geförderten Wohnraumschaffungskonzepte erfolgte durch die 1924 eingeführte Hauszinssteuer,
eine Ertragssteuer auf Wohneigentum, das vor Juli 1918 entstanden war.
Genannt wurde die Abgabe auch Gebäudeentschuldungssteuer, da sie dazu diente, die Vermögensgewinne von Grundeigentümern infolge der Hyperinflation 1923 abzuschöpfen.
Denn durch den radikalen Wertverlust von Hypotheken waren Grundeigentümer nahezu vollständig entschuldet worden, während ihr Grundeigentum nicht an Wert verloren hatte.
Insgesamt war die Steuer sehr einträglich für den Fiskus.
Die Einnahmen beliefen sich im gesamten Staat auf jährlich bis zu zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts -
umgerechnet rund 75 Milliarden Euro und damit mehr als das Doppelte der Summe aus Grundsteuer, Grunderwerbsteuer und Erbschaftsteuer.
Nachdem die Steuer dann in den 1930er-Jahren immer wieder gesenkt worden war und nebenbei auch ihre Zweckbindung an den Wohnungsbau verlor,
wurde sie 1943 gänzlich aufgehoben.
Allerdings mussten die betroffenen Hausbesitzer das Zehnfache der jährlichen Steuerlast als Ablösesumme zahlen.
Zurück in das Berlin der Gegenwart:
Wie damals herrscht heute auf dem Wohnungsmarkt ein extremes Angebotsdefizit bei ungebremster Nachfrage -
eine offenkundige Voraussetzung für steigende Mieten.
Renditeorientierte Wohnkonzerne und Immobilienspekulanten verschärfen die Entwicklung zusätzlich.
Hinzu kommt die zunehmende Inflationsrate, die eine Teuerung der allgemeinen Wohnkosten bedingt.
An der Auflösung der marktlichen Missverhältnisse, die der Politik einen anspruchsvollen Spagat zwischen sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Freiheit abverlangt,
wird bereits seit vielen Jahren „experimentiert“, bisher jedoch ohne wirksamen Erfolg oder hinreichende Rechtsverbindlichkeit.
Wirtschaftsforscher haben der Bundeshauptstadt nun eine Mietensteuer mit historischem Bezug vorgeschlagen.
Rechtfertigung für die steuerliche Mehrbelastung seien die kräftigen (und von der Corona-Krise kaum gedrosselten) Wertsteigerungen,
denen sich die Berliner Wohnungseigentümer ohne übermäßiges Zutun erfreuen würden.
Konkret wird eine progressive Abgabe empfohlen, die sich an der ortsüblichen Vergleichsmiete orientiert und übersteigende Mieterträge stufenweise stärker besteuert.
Demnach könnten zum Beispiel Mieten, die oberhalb von 110 % der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen, mit einer Steuer in Höhe von 10 % belegt werden.
Vermieter, die mehr als 120 % (130 % usw.) der ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen, müssten dann 20 % (30 % usw.) des höherliegenden Mietanteils an das Finanzamt abführen.
Den Experten zufolge, die Ihre Berechnungen auf detaillierte Haushaltsdaten der amtlichen Statistik aus dem Jahr 2018 stützen,
würde eine solche progressive Mietensteuer in Berlin eine Mehreinnahme von rund 200 Millionen Euro pro Jahr generieren.
Mit diesem Geld könnten kommunale Wohnungsbauprojekte mit einem jährlichen Volumen von ca. 7.500 Wohnungen finanziert,
Belegungsrechte im privaten Wohnungsbestand für Sozialwohnungen erworben oder armutsgefährdete Mieterhaushalte unterstützt werden.
Mit der Mietensteuer ist eine weitere Idee in die Debatte um die Regulierung des Berliner Immobilienmarktes aufgenommen worden.
Ihre Praxistauglichkeit und Gesetzeskonformität werden sicherlich noch von den verschiedenen politischen Lagern und Interessensverbänden
kontrovers diskutiert und ausführlich geprüft werden - so wie auch bei den anderen Marktbeeinflussungsinitiativen der letzten Jahre.
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